Warum die Familienbeihilfe keinen positiven Einfluss auf die Geburtenrate hat
Um „ideologiefrei" über Familienbeihilfe mitreden zu können, muss man den Unterschied zwischen Familienbeihilfe, Sozialhilfe und Familiensteuer kennen. In den Erläuterungen zum Familienlastenausgleichsgesetz 1967 heißt es:
„Der Ausgleich der finanziellen Mehrbelastung, die die Ernährung, Bekleidung, häusliche Unterbringung, (Pflege, Betreuung) und Erziehung von Kindern verursacht, ist nicht nur eine Forderung der sozialen Gerechtigkeit, sondern auch eine gesellschaftliche Existenznotwendigkeit. Der Ausgleich der Familienlasten hat zwischen denjenigen zu erfolgen, die die Lasten im Interesse der gesamten Gesellschaft tragen, und jenen, die solche Lasten nicht zu tragen haben, jedoch bewusst oder unbewusst daraus Nutzen ziehen, dass andere es für sie tun . . . Die Gewährung der Beihilfen ergänzt die auf dem Gebiet des Einkommensteuerrechts vorgesehene Kinderermäßigung."
Bis 1972 gab es zusätzlich zur Familienbeihilfe einen Kinderfreibetrag von 58 % bis 67 % des Erwachsenenfreibetrages von 11.000 Euro im Jahr, das wäre heute ein Kinderfreibetrag von 6.600 (in Deutschland sind es 88 %, das wären bei uns 8.800 Euro). Dieser Kinderfreibetrag entfiel ersatzlos in den 70erJahren. Dadurch entstand bei gleichem persönlich verfügbarem Einkommen eine höhere Besteuerung der Eltern im Vergleich zu Kinderlosen, während Kinderlose davon profitierten. Als der Verfassungsgerichtshof 1991 auf diese Ungleichbehandlung aufmerksam machte, erklärte die Regierung die Familienbeihilfe 1993 kurzerhand zur „Rückzahlung" der verfassungswidrig eingehobenen Steuer auf Kinder. Nach den Berechnungen des Finanzministeriums solle 80 % des Kindes-Existenzminimum steuerfrei bleiben. Das kostete Finanzminister Lacina keinen Cent, nur einen kurzen 3-Zeiler im Einkommensteuergesetz. Auch wenn diese Rückzahlung jetzt unter dem Namen „Familienbeihilfe" erfolgt, handelt es sich um nichts anderes als um eine gute Täuschung. Man muss heute bei der Familienbeihilfe zwei Fälle unterscheiden:
1) Wenn das Familieneinkommen so niedrig ist, dass nur das eigene Existenzminimum verdient wird und daher keine Steuer anfällt, ist die Familienbeihilfe eine erste Rate der Sozialhilfe (der Rest erfolgt über die Mindestsicherung). Wird die Familienbeihilfe gekürzt, muss in diesen Fällen die Mindestsicherung um diesen Betrag erhöht werden.
2) Kann aus dem Familieneinkommen nicht nur das (steuerfreie) Existenzminimum der Eltern, sondern auch der Unterhalt für die Kinder verdient werden, wird der Unterhalt der Kinder in jedem Fall besteuert. Mit der Familienbeihilfe soll die zu viel bezahlte Steuer – ähnlich wie beim Jahresausgleich – abgegolten werden (nachrechnen darf niemand). In diesem Fall besteht durch die Gesetzgebung seit 1993 ein verfassungsrechtlich garantierter Anspruch auf einen Betrag in Höhe der Familienbeihilfe. Nur wenn man der Fiktion anhängt, dass der Unterhalt eines Kindes von der Familienbeihilfe allein (etwa 160 bis 200 Euro im Monat) bestritten werden kann, fällt keine Steuer auf des Unterhalt der Kinder an.
Die Familienbeihilfe im ursprünglichen Sinn fiel somit spätestens mit der Gesetzesänderung 1993 schon einmal weg.
In keinem Land besteht eine als verfassungswidrig erkannte Steuer auf Kinder. Wenn in Österreich laut Gesetz die Familienbeihilfe nur zur Abgeltung dieser Mehrsteuer dient, so folgt aus den Regeln der Logik, dass die Familienbeihilfe umso höher sein muss, je höher die Steuermehrbelastung ist; aus den höchsten Familienleistungen kann daher nicht einmal geschlossen werden, ob nicht eine Steuermehrbelastung bestehen bleibt.
Es ist richtig, dass sich der Staat um Geld keine Kinder kaufen kann. Noch richtiger ist, dass er durch Besteuerung des Existenzminimums der Kinder seit 1967 zur sinkenden Geburtenrate seinen Beitrag leistet. Wie sollen sich junge Paare zu einem (weiteren) Kind entschließen, wenn sie dadurch allein durch die höhere Besteuerung sehenden Auges für Jahre zum Sozialfall werden?
Dieter Mack, Klagenfurt 2010