Oktober 2018: Schulpolitik - alter Wein in neuen Schläuchen
Zentral für die Bildungsphilosophie ist die Entwicklung von individuell starken, autonomen, aber auch teamfähigen Menschen. Dabei wird anerkannt, dass Klassen und Schulen von Vielfalt gekennzeichnet sind. Die Homogenität von Lerngruppen ist eine Mär, der noch immer viele Lehrerinnen und Lehrer anhängen und die sie noch immer als oberstes Ziel und notwendige Voraussetzung für guten Unterricht ansehen. Differenzierung als Chance Seit der Abschaffung der Klassenzüge in den damaligen Hauptschulen trommeln engagierte Lehrerinnen und Lehrer die Notwendigkeit, differenzierend zu unterrichten. Damit sollte allen Kindern die Möglichkeit gegeben werden, ihren individuellen Lernweg zu finden. Dieser Paradigmenwechsel, der ein Fundament der Neuen Mittelschule wurde, wurde von vielen Schulen und Pädagoginnen und Pädagogen engagiert umgesetzt. Er kostete Kraft, eröffnete den Kindern in einer ihrer sensibelsten Entwicklungsphasen aber immer wieder Chancen. Ein Ziel der Neuen Mittelschule, weniger Kinder zurückzulassen, wurde jedenfalls erreicht. Differenzierung beinhaltet auch beste Möglichkeiten, (hoch)begabte Kinder zu fördern. Hier scheint das System hingegen versagt zu haben. Als Allheilmittel dafür wird die Rückkehr zur scheinbaren Homogenität gesehen. Hat man dabei hinterfragt, warum die Ergebnisse nicht so waren, wie man sie wünschte? Pädagogische Insel Klar scheint, dass dort die größten Gegner und Zweifler sitzen, wo die Umstellung zuletzt, das heißt auf gesetzlichen Druck, geschehen ist. Teamlehrerinnen und -lehrer werden als Vergeudung angesehen, die besser eine eigene Gruppe führen sollten. Dann kann man wieder die Klassentüren schließen und als pädagogische Insel wirken! Auf der Strecke bleiben dabei die Kinder. Endlich hätten sich österreichweit Schulen, Lehrerinnen und Lehrer didaktisch mit viel Elan und Einsatz am Individuum und am ganzen Kind orientiert; Pädagoginnen und Pädagogen wie Peter Peterson und Maria Montessori haben schon am Beginn des 20. Jahrhunderts dazu aufgerufen. Nun wird beim Kind wieder vorwiegend seine kognitive Leistungsfähigkeit zählen. Die Nachhilfeinstitute werden sich freuen, in Ballungszentren wird trotzdem der Run auf die Gymnasien anhalten, die in den letzten Jahren engagierten Lehrerinnen und Lehrer werden frustriert sein, von der Inklusion bewegen wir uns wieder meilenweit weg! Dieser Weg ist wie alter Wein in neuen Schläuchen und führt nicht in eine pädagogische Zukunft! (Astrid Ebenberger, 9.10.2018)
Astrid Ebenberger ist Vizepräsidentin des Katholischen Familienverbandes, lehrt an der Kirchlich-Pädagogischen Hochschule Wien/Krems und war Direktorin an einer Neuen Mittelschule in Niederösterreich.
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