„Beziehungslos“ gibt es nicht
Ziel der Tagung war es, positive Stimmung für dauerhafte und gelingende Beziehungen in der öffentlichen Wahrnehmung zu erzeugen. Die Realität im österreichischen Familienleben entspricht keineswegs dem Bild, das in den Medien gerne vermittelt wird. „Das Leben in einer Ehe oder in einer dauerhaften, festen Beziehung gehört immerhin für die Hälfte der Österreicherinnen und Österreicher zum Glücklichsein dazu, besagen Ergebnisse der Wertestudie. Und auch die Statistik der mittleren Ehedauer von geschiedenen Ehen weist in eine positive Richtung: Seit 1981 stieg sie von 7,7 auf 9,6 Jahre im Jahr 2008“, sagt der Präsident der größten Familienorganisation Österreichs.
„Veranstaltungen wie diese zum Thema Paarbeziehungen sind in einer sich immer schneller ändernden Gesellschaft sehr wichtig“, ist Familienstaatssekretärin Christine Marek bei Ihrer Begrüßungsrede überzeugt. Der Katholische Familienverband sei ein unerlässlicher Partner, wenn es darum gehe, über hochaktuelle Themen zu diskutieren – orientiert an den Lebensrealitäten von Familien.
Die hochkarätig besetze Referentenliste wurde von der Wiener Soziologin Ulrike Zartler angeführt, deren Vortrag sich mit Stabilität und Instabilität von Partnerbeziehungen der Österreicherinnen und Österreicher befasst. Zartler stellt eine hohe Beziehungsorientierung der Jugendlichen fest: „Der Großteil wünscht sich eine feste Partnerschaft. Mehr als drei Viertel möchten später standesamtlich, rund zwei Drittel auch kirchlich heiraten“. Als die fünf Erfolgsfaktoren einer Partnerschaft definiert die Soziologin: 1. Treue, 2. Respekt, Anerkennung, 3. glückliche sexuelle Beziehung, 4. Bereitschaft und Zeit für Beziehungsgespräche, 5. gemeinsame Lebensziele. „Auf die zunehmende Vielfalt von Lebens- und Beziehungsformen müsse auch die Politik reagieren“, schließt Zartler ihr Referat.
Der Sozialpsychologie Hans-Werner Bierhoff von der Universität Bochum referierte über Bindungen und Beziehungen: „Bindung ist eine relativ dauerhafte emotionale Orientierung an einer anderen Person, die sich bereits im ersten Lebensjahr des Kindes entwickelt. Was die Beständigkeit der Bindung von der Kindheit bis zum Erwachsenenalter angeht, ergibt sich ein moderater positiver Zusammenhang. Die sichere Bindung in Partnerschaften hängt mit verschiedenen Auswirkungen zusammen: Die Partner sind glücklicher und stärker aneinander gebunden. Sie verfügen über konstruktivere Konfliktmöglichkeiten und investieren mehr in die Partnerschaft“, ist Bierhoff überzeugt.
Die Bestsellerautorin Julia Onken präsentierte die häufigsten Beziehungsfallen und wie wir sie vermeiden können. „Eine große Beziehungsfalle ist die fehlende eigene Akzeptanz: Sich selbst annehmen ist eine Basis für eine gute Partnerschaft, in der nicht der eine für das Glück des anderen verantwortlich gemacht werden darf. Zur Selbstverantwortung zählt auch dem anderen Freiräume in der Beziehung zu zugestehen, die einem helfen Kraft zu schöpfen um so Krisen leichter zu überstehen“. Trotz immer wiederkehrender Beziehungsfallen sieht Onken kein Ende von Paarbeziehungen: „Die Sehnsucht nach Kontinuität und Verlässlichkeit in der Beziehung mit einem anderen ist ein Grundwunsch des Menschen“.
Abschließend diskutierte eine Expertenrunde zur Frage "Wer kann Orientierung geben, damit Beziehungen dauerhaft gelingen?". Für die Paartherapeutin Sabine Bösel können jene Paare Orientierung geben, die eine lebendige Beziehung führen. Man lebe als Paar nicht für sich allein, sondern brauche auch Ressourcen und Inputs von außen. Die Kirche kann als Gesamtform Orientierung geben, ist Dompfarrer Toni Faber überzeugt. Das Wissen, dass ich nicht alles selbst erarbeiten muss, sondern vieles geschenkt bekommen habe, könne helfen. Orientierung böten auch heilende Rituale, Segensfeiern, Jubiläen oder Nachdenk-Foren wie diese Enquete. Wichtig sei es Faber zufolge auch, als Kirche nicht mit dem Finger auf jemanden zu zeigen, sondern bewusst Hilfen anzubieten. Der Jugendforscher Philipp Ikrath brachte die Sichtweise der Jugendlichen in die Diskussion ein: Die Familie kann eine gute Ausgangsposition schaffen, aber Jugendliche orientieren sich an dem für ihre Lebenswelt relevanten Wissen. Dieses Wissen, beispielsweise über Partnerbeziehungen, holen sie sich heute von ihrem Freundeskreis: Welche Modelle bewähren sich, welche nicht? Die Lebenswelt der Elterngeneration sei zu weit weg, um diese als Vorbild heranzuziehen, so Ikrath. Für die Juristin Barbara Petsch bietet das Recht eine Orientierung – natürlich nicht ausschließlich, aber es sei eine Konstante, die gerade in Krisenzeiten Halt geben könne. Petsch arbeitet auch in dem KFÖ-Projekt „Wir trauen uns – mit Recht“ mit, bei dem Brautpaare einerseits über die Grundzüge des Eherechts informiert werden und andererseits Tipps erhalten, wie Beziehungen gelingen können.