KFÖ-Enquete: „Familie größte soziale ‚Erfindung‘ in der Geschichte der Menschheit“
Auf die vielfältigen Leistungen der Familien wies in der heißen Phase der Budgetverhandlungen die hochkarätig besetzte KFÖ-Enquete „Macht Familie arm? …und/oder reich?“ in der Volksbank Wien hin. Teilnehmer waren Caritas-Präsident Franz Küberl, Erziehungsexpertin Dr. Martina Leibovici-Mühlberger, Familienexperte Dr. Helmuth A. Schattovits, Steuerexperte Dr. Alfred Trendl und Wirtschaftskammer-Sozialreferent Dr. Rolf Gleißner.
Steindl appellierte nochmals nachdrücklich an die Regierung, beim Familienbudget nicht zu kürzen. "Wird dadurch nicht sehr sinnfällig, welchen Stellenwert die Familie im Denken und Handeln der verantwortliche Politiker hat?" fragte er. Familien seien auf dreifacher Weise bedrängt: "durch die drohenden Kürzungen, die grassierende Inflation und die verweigerte Valorisierung" „Aber es geht nicht nur um die materielle Armut, die zu bekämpfen wir uns seit der Gründung des KFÖ verpflichtet sehen“, so der Präsident der größten familienpolitischen Organisation Österreichs. Vielmehr gehe es dem KFÖ auch um die immaterielle Aufwertung der Familie. Man wolle den geistigen Reichtum der Familien herausstreichen, den eine gelingende Familie schafft. Durch Kinder werde die Lebensqualität erhöht. Ziel des Katholischen Familienverbandes sei eine breite gesellschaftliche Anerkennung der Familie als Lebensform, die die Zukunftsfähigkeit einer Gesellschaft sichert.
Für die Enquete hatte auch Familienstaatssekretärin Christine Marek ihre Teilnahme zugesagt, sie musste aber kurzfristig wegen der Budgetverhandlungen absagen. Marek wurde von Dr. Ingrid Nemec, Sektionsleiterin für Familien und Jugend im Familienministerin, vertreten, die versprach: „Familienminister Reinhold Mitterlehner wird wie ‚ein Löwe‘ für sein Budget kämpfen.“
Materielle Armut zieht Zeit- und Beziehungsarmut nach sich
„Kinder und Jugendliche, die in armutsgefährdeten Haushalten aufwachsen, haben ungünstigere Entwicklungsbedingungen und damit weniger Ressourcen“, betonte Caritas-Präsident Franz Küberl. Neben der Erfahrung, dass es am Nötigsten fehlt, seien Beziehungs- und Zeitarmut noch besonders schwerwiegende Belastungen für Kinder. Mangelnde soziale Beziehungen und Netzwerke, wenig Zuneigung der Eltern, wenig Bildungsangebote, Vernachlässigung und Gewalt sind einige Beispiele, welche Gesichter Beziehungsarmut annehmen kann. Kinder, die in solchen prekären Verhältnissen aufwachsen, zeigen ein verändertes Sprach-, Spiel- und Arbeitsverhalten, so Küberl.
„Je früher, je schutzloser und je länger Kinder einer Armutssituation ausgesetzt sind, desto rasanter fährt der Fahrstuhl nach unten und desto geringer wird die Möglichkeit, individuell die eigentlichen Potenziale herauszubilden und Zukunftschancen zu bewahren“, erklärte der Caritas-Präsident. 264.000 Kinder wachsen in Österreich in relativer Armut auf. Das heißt, das Haushaltseinkommen, in dem diese Kinder aufwachsen, liegt unter der Armutsgrenze. Kommen zusätzliche Faktoren dazu – zum Beispiel wenn sich die Familie kleine Reparaturen nicht mehr leisten oder nur mehr jeden zweiten Tag nahrhafte Speisen zu sich nehmen kann – spreche man von manifester Armut. Rund 130.000 Kinder würden unter solch schwierigen Bedingungen aufwachsen. Jede vierte arme Person in Österreich sei ein Kind.
Familie hat sich als Erfolgsrezept bewährt
Die aus den Medien bekannte Erziehungsexpertin Dr. Martina Leibovici-Mühlberger betonte in ihrem Referat: „Familie hat sich als Erfolgsrezept bewährt.“ Familie stehe für Schutz und Geborgenheit. Der Einzelne zähle um seiner Existenz willen. Leibovici-Mühlberger hielt fest: „Familie ist die Basis gesellschaftlichen Selbstverständnisses sowie Ort der Humanisierung und Kulturalisierung. Hier lernen die Kinder Fleiß, Ordnung, Disziplin, Selbstbeschränkung und machen Selbstwirksamkeitserfahrungen.“ Das „gesellschaftliche Betriebssystem“ würde hier entwickelt und in die nächste Generation eingespielt. Dieser Prozess geschehe tagtäglich über tausende kleine Schritte durch Eltern, Großeltern, Pädagogen und weitere Miterzieher. Und dieser Prozess könne nicht institutionell ausgelagert werden. Das hätte fatale Folgen, so Leibovici-Mühlberger.
Kinder zu haben, sei beglückend. Aber es sei auch aufwändig, intensiv und mit Mühen und Selbstverzicht verbunden. Daher bleibe die Frage, warum die Gesellschaft für jede Produktionshandlung zahle, aber die wesentliche Arbeit der Kindererziehung als das Fundament unserer Gesellschaft nicht ausreichend wertschätzen und besichern würde. Sie wolle keine Ökonomisierung von Verbundenheit und Liebe, das mache nicht glücklich. Diese Haltung führe zu Lebensunzufriedenheit, was sich an einigen Zahlen zeige: Jeder fünfte Teenager hat Essstörungen, viele Junge seien übergewichtig und schon im dritten Lebensjahrzehnt Schlaganfall gefährdet. Sozialisationserfahrungen in der Familie seien wesentlich.
Die vierfache Mutter fordert daher die Wertschätzung der unbezahlten Arbeit auf allen gesellschaftlichen Ebenen. Der Entwicklung einer Kultur der Werte muss wesentlichen Raum gegeben werden. Die Familien seien dabei Entwicklungs- und Wertraum. Sie wünsche sich eine neue Symbolik der Demut und Achtsamkeit, indem „wir im Umgang mit unseren Kindern erkennen, dass die in einem Grundgefühl der Annahme und liebevollen Verbundenheit gelebte Zeit, die beste Förderung ist, die wir unseren Kindern zukommen lassen können“.
Schattovits: Skandal, dass Kinder die Pensionen sichern
Man habe vor einigen Jahren errechnet, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 50 Prozent höher wäre, würde man die unbezahlte Arbeit mitrechnen, die außerhalb des Arbeitsmarkt getan wird, betonte Familienexperte DI. Dr. Helmuth A. Schattovits. Obwohl ein Indikator für wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, werde das BIP in der öffentlichen Meinung weitestgehend als Maßstab für gesamtgesellschaftlichen Fortschritt schlechthin interpretiert. Zweifellos sei die Wirtschaft ein wesentliches Teilsystem der Gesellschaft. Eine boomende Wirtschaft bedeute aber nicht schon eine blühende Gesellschaft und das Wohlergehen des Menschen. Der „Vater des Kinderbetreuungsgeldes“: „Der fertige Mensch fällt nicht vom Himmel. Die Familien bringen enorme Vorleistungen.“ Schattovits kritisierte, dass bereits jetzt der Familienlastenausgleichsfonds die Pensionen subventioniert. Es sei ein Skandal, dass Pensionen von Kindern gesichert würden. Aus dem FLAF würde zu viel gezahlt, was eigentlich andere Ressorts übernehmen müssten.
Podiumsdiskussion
Bei der anschließenden Podiumsdiskussion nahmen neben Leibovici-Mühlberger, Küberl und Schattovits auch Dr. Alfred Trendl, Wirtschatsprüfer und Steuerberater sowie Vizepräsident des Wiener Familienverbandes, und Mag. Dr. Rolf Gleißner, Sozialreferent bei der Wirtschaftskammer Österreich, teil.
„Bei der Einkommensteuer/Lohnsteuer werde nahezu überhaupt nicht Rücksicht genommen, ob jemand für andere - Kinder oder den zweiten Elternteil - zu sorgen hat oder ohne Sorgepflichten lebt, kritisierte Steuerexperte Dr. Alfred Trendl. Der Staat steuere daher vom Einkommen einen Teil weg, der gar nicht dem Einkommensbezieher zusteht, sondern eben den Kindern. Die dem gegenüberstehende Familienbeihilfe könne durch jahrelange Nicht-Anhebung keinen gerechten Ausgleich mehr bieten. Ein Wegfall der 13. Familienbeihilfe scheine daher verfassungswidrig zu sein.
Mag. Dr. Rolf Gleißner, Sozialreferent in der Wirtschaftskammer Österreich, verwies auf die im internationalen Vergleich „hohen monetären Transferleistungen“ an die Familien. Das österreichische System verhindere Kinderarmut in finanzieller, nicht aber in demografischer Hinsicht: Österreich habe eine sehr niedrige Fertilität, wobei Kinderwunsch und Kinderzahl mit dem Bildungsgrad der Frau noch sinken. „Fazit: Familien machen in Österreich nicht arm, es ist eher umgekehrt: Unser System gibt Frauen mit niedrigerem Bildungsniveau und Einkommen einen viel stärkeren Anreiz zur Familiengründung als Frauen mit höherer Ausbildung“, stellte Gleißner fest.
Schattovits appellierte an die Wirtschaftskammer einen „Papa-Monat“ nach der Geburt zu installieren. Mütter bräuchten in dieser Phase nämlich erwachsene Ansprechpersonen.
Küberl betonte bei der Diskussion: „Familie ist die größte soziale ‚Erfindung‘ in der Geschichte der Menschheit.“ Die Frage sei, wie sie weiter gedeihen könne.
Leibovici-Mühlberger abschließend: „Die Begleitung eines neuen Menschen wird zu wenig wertgeschätzt. Mütter hätten oft zu wenig Selbstbewusstsein für die vielen Leistungen, die sie erbringen.“ Daher danke sie dem Familienverband, dass dieser das Thema Wertschätzung für Familien in die Öffentlichkeit transportiere.