Familienorientierte Wirtschaft statt arbeitsorientierter Familien!
Mit der Konferenz „Familie und Arbeit“ rückt der Katholische Familienverband die drei Dimensionen der Arbeit in den Fokus: Denn neben der Erwerbsarbeit gibt es auch noch die Dimension Familienarbeit und Ehrenamtliche Arbeit, deren Wert für die Gesellschaft unschätzbar ist.
Graz, 11. Oktober 2021. „Arbeit ist das halbe Leben, was ist die andere Hälfte?“ fragt der Ethiker Leopold Neuhold von der Universität Graz und kritisiert die Verengung des Begriffs „Arbeit“ auf die reine Erwerbsarbeit: „Viele für die Gesellschaft notwendigen Entwicklungen werden nicht als Arbeit gesehen“, so Neuhold und spricht damit Tätigkeiten wie Pflege oder Familienarbeit an.
Familienstadtrat Kurt Hohensinner vertrat die kinder- und familienfreundliche Gemeinde Graz und betonte den besonderen Wert der Familienarbeit und des Ehrenamtes. Seit einigen Jahren ehrt die Stadt Graz am 26. Oktober ehrenamtlich tätige Personen und bietet ihnen auch kostenlos eine Versicherung.
Arbeits‐ und Sozialrechtsexperte Wolfgang Mazal betonte in seinem Vortrag den großen Nutzen der Familienarbeit für die gesamte Gesellschaft. Er verwies etwa auf den Bereich Pflege: 80 Prozent der pflegebedürftigen Angehörigen werden innerhalb der Familie betreut. Auch die hohe Bedeutung der ehrenamtlichen Arbeit in Freiwilligenorganisationen und Kirche thematisierte Mazal, der seit kurzem als Präsident dem Katholischen Laienrat vorsteht.
Die drei Dimensionen der Arbeit – Erwerbsarbeit, Familienarbeit und ehrenamtliche Arbeit – standen bei der Konferenz „Familie und Arbeit“, die auf Einladung der Stadt Graz, der Europäischen Familienorganisation (COFACE), und des Katholischen Familienverbandes am 8. Oktober 2021 in Graz stattfand, im Mittelpunkt. Die Konferenz war ein Beitrag des Katholischen Familienverbandes zu der von der katholischen Kirche ausgerufenen Woche der Familie.
Dass Familienarbeit nicht als Arbeit gesehen wird, unterstreicht auch Familienverbandspräsident Alfred Trendl und bezieht sich auf die aktuelle Teilzeitstudie des Katholischen Familienverbandes: „74 Prozent der Teilzeitarbeitenden mit Kindern bis 14 Jahren arbeiten Teilzeit, weil sie mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen wollen“, so Trendl und wiederholt die Forderung des Familienverbandes, dass in diesem Fall die betreuenden Eltern nicht in der Altersarmut landen dürfen: „Bei der Altersteilzeit werden die Pensionsbeiträge von der Allgemeinheit übernommen. Diese Solidarität sollten wir auch Eltern entgegenbringen, die ihre Arbeitszeit reduzieren, um ihre Kinder selber
betreuen zu können“, so Trendl. Eine bessere Bewertung pensionsrechtliche Bewertung der Teilzeit aufgrund von Betreuungspflichten ist für ihn eine unbedingte Notwendigkeit.
Familienministerin Susanne Raab weist ebenfalls auf die gesellschaftliche Bedeutung der Familienarbeit hin: „Echte Wahlfreiheit braucht auch genug und qualitätsvolle Kinderbetreuungs-einrichtungen“, so die Ministerin und kündigt mehr Geld für die Elementarpädagogik an. Ein weiteres Anliegen ist der Ausbau der Väterbeteiligung: „Hier braucht es noch mehr Role Models und Positivbeispiele“, so Raab.
Positiv beeindruckt von der familienpolitischen Situation in Österreich zeigt sich Vincenzo Bassi, Präsident der FAFCE, der Katholischen Familienverbände auf europäischer Ebene. Er war aus Rom angereist und thematisierte in seinem Beitrag den „demografischen Winter“, die Überalterung der Gesellschaft, und fordert mehr Familienfreundlichkeit in Gesellschaft und Erwerbsleben.
So argumentierte auch Sissi Potzinger, die Vorsitzende des steirischen Familienverbandes, die souverän durch das Programm führte: „Was wir brauchen ist Family Mainstreaming. Wir müssen neue Gesetze – egal in welchem Bereich – auch auf ihre Familienfreundlichkeit abklopfen“, so Potzinger, die auch als Verwaltungsrätin der Coface, der EU‐Familienverbände, tätig ist. Sie würdigte
auch die geplante Erhöhung des Familienbonus: „Dadurch wird die langjährige Forderung des Familienverbandes erfüllt und das Existenzminimum für Kinder steuerfrei gestellt“, so Potzinger.
Ein weiterer hoher Vertreter auf EU Ebene war Coface Vizepräsident Sven Iversen, der nach Graz reiste: „Mit der Vereinbarkeitsrichtlinie der EU konnten wir erstmals Mindeststandards definieren“, ist er überzeugt und fordert den Fokus noch stärker auf eine familienorientierte Wirtschaft, statt auf eine arbeitsorientierte Familie zu legen.